Altersvorsorge und Arbeitsmarkt
Vortrag am 25.2.2016 in der AK Graz
Am 29. März 1959 – also vor bald mehr als 60 Jahren - schreibt die „Österreichische Neue Tageszeitung“: „Die Zahl der Rentner wächst von Jahr zu Jahr. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass es dem medizinischen und sozialen Fortschritt gelungen ist, die Lebenserwartung hinaufzusetzen. Daraus erwächst ... die ernste Frage: Wie kann bei gleichbleibendem Arbeitsalter, aber höherer Lebenserwartung, mit den vorhandenen Mitteln der Sozialversicherung das Auslangen gefunden werden?“ Die Antwort der „Neuen Tageszeitung“ ist völlig klar: Sofortige Anhebung des Pensionsantrittsalters und einschneidende Reduzierung der Leistungen.
Die apokalyptische Einschätzung des Blattes wörtlich: „Die traditionelle Sozialpolitik, deren stolzester Bau die Sozialversicherung ist, steht heute am Ende ihrer Weisheit.“
Seitdem hat sich viel verändert. Das faktische Pensionsalter ist gesunken und damit hat sich gemeinsam mit der beachtlichen Steigerung der Lebenserwartung die Bezugsdauer der Pensionen enorm erhöht. Zudem werden heute – auch inflationsbereinigt – im Verhältnis zu den 50er Jahren wesentlich höhere Pensionen ausbezahlt.
Hätten also die damaligen Kassandrarufe der Kritiker eines staatlichen Pensionssystems Recht gehabt, wäre das österreichische Pensionsmodell bereits vor Jahrzehnten kollabiert. Tatsächlich ist das Pensionssystem immer noch finanzierbar, und zwar nach dem Versicherungsprinzip – also höhere persönliche Leistungen bei höheren Einzahlungen – zu einem Gutteil aus eigenen Beiträgen der Versicherten.
Wie Sie der Tabelle hier im Bild entnehmen können, liegt der Aufwand der Bundesmittel zur Pensionsversicherung – ohne Beamte - seit 2010 exakt auf dem Wert von 1985, nämlich – nach einer vorübergehenden Senkung dazwischen – bei 3% des Bruttoinlandsprodukts. In absoluten Zahlen – die gerne in der politischen Debatte vor allem von den Gegnern des aktuellen staatlichen Pensionssystems verwendet werden – ist der Bundeszuschuss freilich gestiegen, aber darauf kann es wohl nicht ankommen. Wesentlich ist der Anteil der PensionistInnen am Gesamtwohlstand, und der hat sich keinesfalls erhöht.
Die Senkung des Bundeszuschusses zur Altersvorsorge bzw. ein Einfrieren auf aktueller – nicht inflationsbereinigter – Höhe würde bedeuten, dass der Anteil der PensionistInnen am gemeinsamen Kuchen kleiner wird. Wer das will, soll dies auch offen aussprechen.
Schon jetzt ist die Teilnahme der PensionistInnen am Produktivitätszuwachs ausgeschlossen. Gesetzlich ist eine jährliche
Anpassung der Pensionen bloß im Ausmaß der Inflationsrate vorgesehen. Selbst dieses Mindestmaß an ökonomischer und sozialer Fairness wurde im Rahmen diverser Sparpakete mehrmals durch Sonderregelungen durchbrochen, indem vor allem höhere Pensionen durch geringere Anpassung real an Wert verloren.
Dass die regelmäßigen Hiobsbotschaften neoliberaler Schwarzmaler die Wirklichkeit nicht abbilden, zeigt die aktuelle – im Resultat erfreuliche – Pensionsprognose der Pensionskommission. Demnach fallen die erforderlichen Bundesmittel zur gesamten Altersvorsorge bis 2019 um 4,5 Milliarden Euro niedriger aus als noch vor einem Jahr vorhergesagt.
Im Übrigen ist nicht eine Verengung, sondern eine Vergrößerung des finanziellen Spielraumes des Bundes bei der Co-Finanzierung der Pensionsversicherung zu erwarten: Auf Grund der Harmonisierung und des Auslaufens der Beamtenpensionsregelungen – Maßnahmen, die nun zu greifen beginnen – wird der Gesamtaufwand des Bundes für die Altersvorsorge voraussichtlich sogar sinken. Auch das faktische Pensionsantrittsalter steigt langsam aber doch. Für 2016 liegt der Wert bei 60,2, 1995 waren es noch 57Jahre.
Selbst wenn man die nunmehrigen Rehabgeldbezieher zu Pensionisten um etikettieren wollte – was natürlich nur äußerst bedingt zulässig ist -, ist der Anstieg beträchtlich.
Betrachtet man allerdings nur die Alterspensionen – und die haben ja im Lichte der Abdeckung des Risikos Alters im Vordergrund zu stehen – beträgt das durchschnittliche Antrittsalter derzeit bei den Männern 63,7 Jahren (1. Halbjahr 2015, Pensionsmonitoring – die brandaktuellen Zahlen sind sogar noch geringfügig besser) – da fehlen also auf das Ideal nur noch 1,3 Jahre. Bei den Frauen ist das angestrebte Pensionsalter mit durchschnittlich 60,1 Jahren tatsächlich erreicht.
Aber was ist denn dieser Bundeszuschuss genau? Welche Risiken deckt er ab? Schaut man sich das etwas genauer an, werden mit diesen Mitteln etwa auch die sogenannten Ausgleichszulagen bestritten. Das hat eigentlich mit Pensionen ganz und gar nichts zu tun, der Bund finanziert hier nur die allgemeine Mindestsicherung, die ohnehin und selbstverständlich von den Gebietskörperschaften – und zwar aus Steuermitteln - abzudecken ist.
Auch wird es in der Diskussion – meist wenn eine Nebelgranate opportun erscheint – nicht so genau genommen mit der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Versicherungsgruppen, was die Absicherung aus Eigenleistungen betrifft. So werden regelmäßig die Aufwendungen des Bundes für die Berücksichtigung von früheren Präsenz- und Zivildienstzeiten als „Zuschuss zu den ASVG-Pensionen“ gewertet, obwohl die Betroffenen unmittelbar Leistungen für den Bund – nämlich ohne gleichzeitiger Beitragszahlung – erbracht haben.
Wie überhaupt es in diesem Zusammenhang lohnt, sich einmal mehr die Aufteilung des Bundeszuschusses an die einzelnen Pensionsversicherungen vor Augen zu halten:
Vom pauschalen Beitrag des Bundes zur teilweisen Bedeckung der Aufwendungen in der Pensionsversicherung von 8,5 Milliarden Euro entfielen 3 Milliarden Euro auf die Pensionsversicherung der Selbstständigen, die nur 15% aller Pensionen ausbezahlen. Auf den ASVG-Bereich mit 85% aller ausbezahlten Pensionen entfielen knapp 5,5 Milliarden Euro. Und selbst dieser Betrag stellt tatsächlich keinen „Bundeszuschuss zu den ASVG-Pensionen“ dar, sondern einen Beitrag zur Finanzierung der Gesamtaufwendungen in der Pensionsversicherung der Unselbstständigen.
Ein nicht unerheblicher Teil dieser Ausgaben entfällt – neben den besprochenen Ausgleichszulagen - auf Leistungen wie Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation oder die Krankenversicherung von PensionistInnen, also auf Leistungen, die sinnvollerweise durch Steuermittel und nicht durch Pensionsversicherungsbeiträge zu finanzieren sind.
Frau Christine Mayrhuber wird über einen allfälligen Änderungsbedarf bei der Ausbalancierung zwischen Beitrags- und Steuerfinanzierung heute sicher noch einiges sagen.
Daraus ergibt sich folgende Rechnung:
Der reinen Ausfallshaftung – also ohne Ausgleichszulagen - für Pensionen im ASVG von knapp 5 Milliarden Euro steht ein Pensionsaufwand von 29,2 Milliarden Euro gegenüber – das sind knapp 17%.
Bei den Selbstständigen beträgt dieser Teil des Bundeszuschusses 56,6 % - nämlich bei den Gewerbetreibenden 41,8% und bei den Bauern sogar 84,5%.
Anders ausgedrückt: Während bei den Selbstständigen deutlich mehr als die Hälfte des Pensionsaufwandes durch Bundesbeiträge finanziert wird, reicht der Bundesbeitrag für Pensionen im ASVG gerade dazu aus, den Aufwand für die Hinterbliebenenpensionen – die an sich ohnehin aus Steuermitteln zu finanzieren wären – in der Höhe von 3,7 Milliarden Euro abzudecken. Dies bedeutet, dass im ASVG-Bereich der Bund für die Absicherung des eigentlichen Risikos Alters tatsächlich beinahe nichts beiträgt.
Mir ist wichtig festzuhalten, dass man dieses Ergebnis – das zugegebener Maßen zu einem Teil auch versicherungstechnische Ursachen hat - ohne klassenkämpferische Polemik betrachten soll. Es zeigt nur, dass der Wohlfahrtsstaat für alle da zu sein hat. Manche brauchen ihn weniger, andere haben mehr soziale Unterstützung nötig, dies falls eben UnternehmerInnen und Bauern.
Es fällt auf, dass die Diskussion über den Bundeszuschuss, der vor allem die Pensionen der Selbständigen stützt, immer wieder darauf gelenkt wird, das Pensionssystem der Unselbständigen – also die ASVG-Versicherten – in Misskredit zu bringen. Hier werden entgegen allen Tatsachen Äpfel mit Birnen vermischt, wie dies am verlässlichsten die Agenda Austria tut.
Wörtliches Zitat der Agenda in der Presseaussendung vom 27.11.2015: „... der Zuschuss, den die Steuerzahler dieses Jahr zu den ASVG-Pensionen leisten müssen, beträgt ... 10,4 Milliarden Euro.“
Völlig falsch, wie jeder seriöse Experte weiß und ich oben ja auch dargelegt habe: Nicht 10,4 Milliarden, sondern bloß 5,5 Milliarden Euro – also gerade die Hälfte – beträgt die korrekte Summe.
Wir schätzen unsere – teilweise andersdenkenden – Gesprächspartner in dieser komplexen Materie sehr. Aber hier drängt sich selbst dem Gutgläubigsten ein unangenehmer Gedanke auf: Das hat System.
Die Situation in den Pensionsversicherungssystemen der Selbstständigen könnte sich im Übrigen dadurch verschärfen, dass immer mehr Erwerbstätige in die gesetzlich legitimierte, tatsächlich aber nur scheinbare Selbstständigkeit abgedrängt werden - Schlagwort „Ich-AGs“. Die zynische Formel lautet: Keine existenzsichernde Arbeit, keine existenzsichernde Pension.
Hier werden die Ausgleichszulagenempfänger der Zukunft produziert. Will man Altersarmut vermeiden, wird man – wie von den Arbeitnehmer-Interessenvertretungen vielfach gefordert – nicht wie bisher auf die persönliche, sondern auf die wirtschaftliche Abhängigkeit dieser Menschen von ihren Auftraggebern abstellen und das Arbeitsrecht mit seinen zwingenden Mindeststandards anwenden müssen.
Das Resultat wäre unter anderem eine Entlohnung zumindest an den Mindestgrenzen der Kollektivverträge und damit eine sozialversicherungsrechtliche Beitragsgrundlage, die Pensionen sichert, von denen man halbwegs leben kann.
Wo immer die sogenannten „Mahner und Besorgten“ – oftmals aus den Reihen der privaten Versicherungswirtschaft – aufmarschieren, tragen sie auf ihren Transparenten zwei Schlagworte.
Das eine lautet: Beseitigung oder zumindest Einschränkung der Umlagefinanzierung. Meist unter dem Nebenetikett „Senkung der Lohnnebenkosten“ – und wer am Stammtisch will das nicht, schließlich soll dies ja die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
Umlagefinanzierung bedeutet, dass die Einnahmen aus den Beiträgen der Aktiven und der Anteil aus den Steuern unmittelbar ausbezahlt werden. Im Gegensatz dazu werden im kapitalgedeckten System die Beiträge am Markt veranlagt, in der Hoffnung, dass das Geld „arbeiten“ möge.
Agnes Streissler-Führer hat unlängst die Pensionssysteme der USA, der Niederlande, von Deutschland und von Polen untersucht, die zur Gänze oder mit einem zunehmenden Anteil auf die Kapitaldeckung setzen.
Beispielweise wurde 1999 in Polen das öffentlich-rechtliche Umlagesystem auf ein fiktives Beitragssystem umgestellt und als zweite Säule ein verpflichtendes Privatpensionssystem etabliert. In der Krise performten dann die privaten Pensionsfonds derart schlecht, dass 2011 die Reform zurückgenommen werden musste. Das Vertrauen in das Pensionssystem war erheblich erschüttert, Analysten prophezeien Polen eine erhebliche Altersarmut in einigen Jahren.
Auch in den anderen untersuchten Ländern – insbesondere in Deutschland, auf das wir uns immer wieder als angebliches Vorbild beziehen – zeigen sich die enormen Risken durch Kapitaldeckung. Trotz gleich hoher Beiträge wie in Umlagesystemen wird es spätestens nach Krisen notwendig werden, entweder bei den Beiträgen nachzuschießen – was der Einzelne zu tragen hat – oder eben geringere Leistungen in Kauf zu nehmen.
Die Prognose ist desaströs: Bei einer 47-jährigen Erwerbskarriere und einem Antrittsalter von derzeit 67 hätte ein heute 20-jähriger aus dem staatlichen deutsche System eine Ersatzquote von nur 42 % zu erwarten. Aber auch nur dann, wenn er durchgehend arbeiten kann und nicht in Karenz geht, prekär beschäftigt oder arbeitslos wird.
Agnes Streissler-Führers ernüchterndes Resümee: „Es ist wie beim Roulette: Im Regelfall gewinnt die Bank.“
Die teuren deutschen Rister-Zusatzrenten- obwohl großzügig gefördert – bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Geringverdiener sind in der Praxis ohnehin ausgeschlossen, weil sie sich die Prämien nicht leisten können.
Aber wir brauchen nicht so weit zu schweifen, auch in Österreich finden wir abschreckende Beispiele: Unter dem Lieblingsfinanzminister aller Schwiegermütter – Ehre, wem Ehre gebührt – wurde eine sogenannte dritte kapitalgedeckte Säule neben dem öffentlich rechtlichen System und der „Abfertigung neu“, die zur zweiten Säule – völlig illusorisch – umfunktioniert werden sollte, beworben.
Nach zehn Jahren Zwischenbilanz musste man feststellen, dass bei fast all diesen Sparprodukten kein einziger Cent Zuwachs erzielt werden konnte. Mehr noch: Dass die Anleger überhaupt mit ihrem blanken Kapital - inflationsbereinigt, also mit realem Verlust – aussteigen konnten, lag – Sie haben es erraten! – nur an den staatlichen Zuschüssen und der gesetzlichen Garantie.
Oder unsere Mitarbeitervorsorgekassen: Die zeigen eine derart schlechte Performance, die vor allem den hohen Verwaltungskosten und der Gewinnorientierung geschuldet ist, dass das frühere Ziel, eine Abfertigung nach 37 Jahren (?) in der Höhe eines Jahresentgelts – so wie früher nach 25 Jahren – zu erwerben, mittlerweile völlig utopisch ist. Wahrscheinlich ist ein solcher „Break-even“ nicht einmal nach 50 Jahren zu erreichen.
Man darf auch nicht übersehen, dass die gesetzliche Pensionsversicherung mit ihrem konstanten BIP-Anteil an den Ausgaben ihrer Funktion als „automatischer Stabilisator“ inKrisenzeiten vollkommen gerecht wird. Ich nehme an, Markus Marterbauer wird dazu heute noch etwas sagen.
Und nur am Rande: Das öffentliche, umlageorientierte System in Österreich gewährleistet auch demokratische Partizipation. Die Versicherten verwalten – auf Grundlage der Wahlen in den Interessenvertretungen – ihre Altersvorsorge selbst.
Und der Vergleich macht auch bei der Kostenstruktur sicher: Das öffentliche Pensionsversicherungssystem kommt mit einem Verwaltungskostenanteil von 1,54% aus, nahezu alle eingehobenen Beiträge fließen wieder der Versicherungsgemeinschaft zu. Dem gegenüber veranschlagen private Pensionsfonds erheblich höhere Kosten. Die Berechnungen gehen von mindestens 3,5 – 4,5% - also mehr als dem Doppelten – aus, manche Darstellungen – insbesondere unter Berücksichtigung der Gewinne – reichen bis zu 25%.
Das zweite Schlagwort auf den Transparenten der Kritiker des öffentlich-rechtlichen – von den Sozialpartnern getragenen – Altersvorsorgesystems lautet: „Aber die Demographie!“
Und in der Tat schaut es recht bedrohlich aus, was uns hier prophezeit wird. Die Wissenschaft geht in ihrer Bevölkerungsschätzung davon aus, dass das Verhältnis der Zahl der Personen im Alter 65 plus zur Altersgruppe 15 bis 64 in der Zeit von 2015 bis 2060 von 28% auf 50% steigen wird. Oder griffiger ausgedrückt: Die Relation zwischen den Altersgruppen 15 bis 64 und 65 plus wird sich – grob gesprochen – von heute etwa 3,5:1 auf 2:1 verschieben.
Bevor wir aber jetzt alle auf Grund dieser Prognose zum nächsten privaten Versicherungsinstitut eilen, um unsere angebliche „Pensionslücke zu schließen“, lohnt es sich, sich die Sache näher anzusehen.
Von allen Kritikern wird immer wieder der Eindruck erweckt, dass dieses Problem der Demographie in der privaten Vorsorge nicht bestehe. Dabei ist es sonnenklar, dass auch in der privaten Vorsorge von den Menschen dieselben Wünsche gehegt werden, nämlich so früh wie möglich eine möglichst hohe Pension zu erhalten. Das bedeutet, dass auch hier die Zahl der Einzahler im Verhältnis zu den Leistungsbeziehern sinken wird.
Die Zukunft des Pensionssystems ist aber sicherlich nicht nur von der Altersstruktur abhängig, dies werde ich in meinen nächsten Ausführungen aufzeigen.
Links sehen Sie die blanke Altersstruktur 2010 in der Europäischen Union. Rechts sehen Sie eine weitaus aussagekräftigere Grafik, die Josef Wöss und Erich Türk entwickelt haben. Mit dem damit verbundenen „Abhängigkeitsquotenrechner“ zeigen sie, dass die Struktur differenzierter ist. Sie unterscheiden zwischen Erwerbstätigen, abhängigen Empfängern wie PensionistInnen und Arbeitslosen sowie Sonstigen wie Studierenden oder Haushaltsführenden. Hellrot in dieser Grafik sind die Zahler, dunkelrot die Empfänger und grau die Sonstigen.
Betrachtet man nur das Alter, kommt man in der EU auf eine Quote von 26 %, das heißt auf hundert Junge kommen 26 Alte. Untersucht man hingegen – und das bringt eine wesentlich treffendere Aussage – die Relation von Leistungsbeziehern – Pensionisten und Arbeitslosen (dunkelrot im Bild) - zu den Erwerbstätigen (hellrot im Bild), zeigt sich eine eben nicht demographische, sondern eine ökonomische Abhängigkeitsquote im Jahr 2010 von 65%. Mit anderen Worten:
Schon jetzt finanzieren 100 Erwerbstätige über die sozialen Sicherungssysteme 65 Leistungsempfänger.
Sieht man sich dann die Prognose für 2050 an, zeigen sich zwei Szenarien:
Kann die Beschäftigungsquote der 15 bis 64-jährigen von 64% im Jahr 2010 nur auf 69% gesteigert werden, ergibt dies eine Erhöhung der Abhängigkeitsquote von 65% auf 80%. Das werden wir ohne Erhöhung des BIP-Anteils vermutlich nur schwer stemmen.
Gelingt es aber – rechtes Bild – die Beschäftigungsquote auf 76% anzuheben, beträgt die Abhängigkeitsquote nur 73% und liegt damit bloß um 8 Prozentpunkte höher als die des Jahres 2010. Dieser Anstieg wäre durch die allgemeine Produktivitätssteigerung jedenfalls verkraftbar.
Was braucht es also, um die Beschäftigungsquoten – wie gesagt in den nächsten 35 Jahren um 12 Prozentpunkte – zu erhöhen und – parallel dazu – die Zahl der Menschen, die mangels Erwerbschancen auf Transferleistungen angewiesen sind, zu reduzieren? Dazu – der Zeitdisziplin geschuldet – nur ein paar Beispiele:
Erstens:
Wir müssen die Arbeitsbedingungen weiter verbessern, gesündere Arbeit anbieten. Vor allem die psychischen Erkrankungen nehmen zu. Nicht zuletzt deshalb, weil die einen rund um die Uhr arbeiten, während die anderen eine sinnentleerte Freizeit erschlägt.
300 Millionen Überstunden pro Jahr werden in Österreich verfahren, davon 90 überhaupt unbezahlt. Ein Euro auf jede Überstunde wäre eine verkraftbare Belastung der Wirtschaft, erhöht die Unattraktivität der Mehrbelastung und könnte zusätzliche arbeitsmarktpolitische Maßnahmen finanzieren, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen.
Ein stärkerer Kündigungsschutz für kranke - und im Übrigen auch ältere - Arbeitnehmer wie in den skandinavischen Ländern wird ebenfalls notwendig sein.
Zweitens:
Zurückdrängen der sogenannten „Minijobs“ – also Beschäftigungen unter der Geringfügigkeitsgrenze, die keine Sozialversicherungsbeiträge und damit keine Absicherung vor Altersarmut bringen.
In diesem Zusammenhang freilich auch die Zurückdrängung der übrigen Teilzeitjobs, die vor allem Frauen annehmen und – wie wir bereits in mehreren Veranstaltungen aufgezeigt haben – sie unmittelbar in die vorprogrammierte Altersarmut schlittern lassen.
Dazu endlich das Angebot eines flächendeckenden Netzes an Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen, um den Zugang zum Arbeitsmarkt für beide Elternteile sicher zu stellen.
Drittens:
Die Verstärkung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, mehr Aus- und Weiterbildung, um das derzeitige Heer von unverantwortlichen 400.000 Arbeitslosen endlich zu reduzieren. Dazu wird es auch notwendig sein, in neue Sektoren, wie insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich, entsprechend zu investieren.
Viertens:
Zurückdrängen der jahrelangen Ausbeutung von jungen Menschen in sogenannten Praktika und Volontärsverhältnissen, denen der Zugang zu einer zukunftssichernden vollversicherten Erwerbstätigkeit in unverantwortlicher Weise verwehrt wird.
Apropos junge Menschen: Jede sinnvolle Bildungsoffensive schafft Beschäftigung.
Fünftens:
Am anderen Ende der Altersstruktur endlich ein anderer Umgang mit älteren ArbeitnehmerInnen, die verstärkt wieder in Beschäftigung gebracht oder in dieser gehalten werden müssen. Ein Bonus-Malus- System, das diese Bezeichnung auch verdient, ist ein Gebot der Stunde!
Die sogenannte Auflösungsabgabe von derzeit 121 € für ArbeitnehmerInnen, die – wie wir in der Praxis beobachten – sich Dienstnehmer bei einvernehmlicher Auflösung ohnehin selbst bezahlen müssen, ist völlig unzureichend. Und die im Dezember beschlossene – und erst 2018 wirksam werdende – Verdoppelung dieser Abgabe, wenn zu wenig ältere Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist völlig unzureichend und wird an der tristen Beschäftigungssituation älterer ArbeitnehmerInnen nichts ändern.
Wenn man in jungen Jahren zu einer vollversicherten Erwerbsarbeit nicht zugelassen wird, und schon mit 45 als „altes Eisen“ aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird, wird man sich nicht wundern dürfen, wenn der Bundeszuschuss zu den Pensionen in Zukunft höher ausfällt.
Bei einer verantwortungsvollen sozialen Wohlfahrtspolitik – um zum Schluss zu kommen, meine Damen und Herren – gibt es also keinen Grund, am so erfolgreichen Prinzip einer öffentlich – rechtlichen, umlagegestützten und sozialpartnerschaftlich verwalteten Alterssicherung festzuhalten. Wolfgang Muthspiel, einer der genialsten Musiker unseres Landes, singt in seinem Stück „Austria“ die Textzeile: „Don’t mess with our pensions.“
Auf gut steirisch ein Appell an die allzu kühnen Pensionsreformatiker: „Verjankerts unser Austragl – unser Ausgedinge – net.“